Warum leiden Veganer*innen häufiger unter Essstörungen?

Immer wieder Fluten Berichte über die negativen Folgen einer veganen Ernährung die Medien. Ein beliebtes Thema: Pflanzliche Ernährung und Essstörungen. Die Frage ob Vegetarier*innen oder Veganer*innen häufiger als der Durchschnitt unter einem gestörten Essverhalten leiden, wurde und wird aber auch in der Wissenschaft heiß diskutiert…und untersucht.

Wie so häufig ist die Antwort nicht eindeutig. Warum einige Studien auf einen Zusammenhang von pathologischen Essverhalten und pflanzlicher Ernährung hindeuten, während andere keine direkte Beziehung aufdecken konnten und einige sogar eine vegane Ernährung als Schutz vor gestörten Essverhalten beobachten, kannst du hier nachlesen.

Die Anzahl der Betroffenen und die schweren Folgen der Erkrankung sind zu bedeutend, um sie zu ignorieren.

Welche Faktoren könnten die Verkettung von Veganismus und Essstörungen also begünstigen?

Offizielle Anzahl der Personen in Deutschland mit einer Essstörung
Quelle: https://www.bzga-essstoerungen.de/habe-ich-eine-essstoerung/wie-haeufig-sind-essstoerungen/

Über was reden wir?

Vegetarisch oder Vegan?

Obwohl es sowohl bei der vegetarischen wie auch der veganen Ernährung Hinweise auf ein Zusammenspiel mit dem Auftreten von gestörten Essverhalten gibt, konzentrieren wir uns vor allem auf die rein pflanzliche Ernährung. 

Warum? Vegane Ernährung wird oftmals als besonders radikal und einschränkend angesehen. Vegetarier*innen sind hingegen in Deutschland mittlerweile „in der Mitte der Gesellschaft“ angekommen. Allerdings können einige Punkte, die für den Veganismus gelten in ähnlicher Form auf eine vegetarische Ernährung übertragen werden.

 

Vegan Diet oder Veganismus?

Bereits im ersten Teil bin ich auf den bedeutenden Unterschied einer veganen Ernährung und einer veganen Lebensweise eingegangen. So ist die eigene Gesundheit in der Regel das Hauptargument für eine vegane Ernährung. Lebst du hingegen vegan, liegt der Fokus darauf, durch das gesamte Handeln einen Unterschied in der Welt zu machen. Das heißt natürlich nicht, dass nicht auch deine Gesundheit profitieren wird, aber Tierrechte, Umweltethik und Ernährungsgerechtigkeit sind die leitenden Motive.

 

Eine vegane Ernährung für die Gesundheit

Selbstverständlich ist nichts verwerfliches an den Gedanken, mit einer rein pflanzlichen Ernährung die eigene Gesundheit zu verbessern. Allerding wirkt sich der Grund für deine Entscheidung auf dein Handeln aus. Willst du mit veganem Essen dein Immunsystem puschen, dein Krebsrisiko senken und dich vor Diabetes schützen, wird dein Fokus nicht nur auf eine tierleidfreie Ernährung liegen, sondern auf vollwertige vegane Kost. Viel Gemüse und Obst, wenig verarbeitete Produkte, Vollkorngetreide und gesunde Fette. Dazu kommt nicht selten der Wunsch, ein paar Pfunde zu verlieren

 

Vegane Ernährung in den Medien

Instagramfotos mit Low Carb Chiapudding, in Facebook das Rezept für einen grünen Smoothie und bei YouTube das Kochvideo für fettfreie Dinkelkekse… Alles natürlich rein pflanzlich und super gesund.

Vegane Ernährung wird in vielen Fällen als Kombination aus grünem Gemüse, ein paar Superfoods und vielen „frei von…“ (Soja, Gluten, Zucker, Zusatzstoffe, Weizen, Fett…) beworben.

Natürlich gibt es auch Rezeptinspirationen für cremige Schokoladentorten, herzhafte Braten und verlockende Pizzakreationen. Aber bei veganer Ernährung liegt der Fokus zu oft auf „gesunde“ Kost. Gesund heißt in den meisten Fällen leider kalorien- und fettarm, wahlweise ohne Kohlenhydrate und selbstverständlich frisch und vollwertig.

Veganer*innen und Essstörungen: Die Fallstricke

Selbst wenn deine Hauptmotive für den Veganismus im Schutz der Umwelt, in der Vermeidung von Tierleid und oder der Ernährungsgerechtigkeit liegen, gibt es Faktoren die bei einer veganen Ernährung ein gestörtes Essverhalten fördern können. Wie bereits hier erläutert, sind Essstörungen multifaktorielle Erkrankungen. Statt der einen Ursache gibt es viele Tropfen die das Fass Essstörung füllen. Die Entscheidung sich vegan zu ernähren kann der eine Tropfen sein, der das Fass sprengt. Aber eine vegane Ernährung reicht nicht aus, um das Ganze Fass alleine zu füllen.

1. Einschränkungen

Klar, eine vegane Ernährung definiert sich durch das Weglassen tierischer Produkte. Übrig bleibt zwar eine große Menge an Alternativen, aber es bleibt dennoch eine Einschränkung.

Mittlerweile kannst du mehr oder weniger alles was dein Herz begehrt als vegane Variante genießen. Aber leider immer noch nicht überall und zu jeden Zeitpunkt.

In einigen Restaurants bleibt von der gut gefüllten Speisekarte nur ein grüner Salat. Nicht jede Eisdiele hat vegane Sorten und wenn ist die Auswahl begrenzt.

Es war zwar bis dato nie einfacher sich rein pflanzlich zu ernähren, aber entspricht nicht der gesellschaftlichen Norm.

Zudem ist es selten der schlechte Geschmack, der Fleisch, Eier und Käse ungenießbar machen. Es kann durchaus sein, dass dir auch weiterhin bei dem Anblick einer „normalen“ Käsepizza oder einer Tafel Milchschokolade das Wasser im Mund zusammenläuft und der Gedanke von Verzicht in deinem Gehirn aufploppt.

2. Ernährungswissen

Es ist immer wieder faszinierend wie viele Menschen zu selbsternannten Ernährungsexperten aufsteigen, sobald du erzählst, kein Fleisch mehr zu essen. Im Normalfall ist das Wissen um Makro- und Mikronährstoffe, Energiebedarf und Supplemente aber eher Sportler*innen und echten Experten vorbehalten. Und wohl oder übel Veganer*innen. Ohne Plan von Vitamin B12, pflanzlichen Proteinen und veganen Eisenquellen, wirst du in kurzer Zeit gesundheitliche Probleme bekommen. Die Beschäftigung mit der eigenen Ernährung ist praktisch eine Grundvoraussetzung, um vegan zu werden. Das gewonnene Wissen kann sich aber je nach genutzter Quelle als problematisch erweisen. Wenn Fitness-Influencer von Clan Eating vegan und YouTube Sternchen von ihrer super veganen Rohkostdiät berichten, sind die neuen Informationen nicht länger neutral, sondern eine Gefahr in die Orthorexie abzurutschen. Von dort ist es nicht mehr weit zu anderen Essstörungen wie Bulimie und Anorexie.

 

3. Nährstoffmängel

Ja, bei einer rein pflanzlichen Ernährung gibt es ein paar Nährstoffe, auf die du besonders achten musst. Eisen ist zum Beispiel zwar nicht weniger in pflanzlichen Produkten enthalten als in tierischen, aber dein Körper kann es schlechter aufnehmen. Kalzium und Jod sind leider generell weniger in pflanzlichen Lebensmitteln enthalten. Damit steigt das Risiko für Nährstoffmängel.

Bekommt dein Körper von einem Nährstoff zu wenig, versucht er dir das zu zeigen.

Leider haben wir verlernt auf die feinen Signale unseres Körper zu hören. Genervt von unserer Ignoranz will dieser aber seine Nährstoffe. Egal wie. Hauptsache schnell.

Das Resultat können Essanfälle sein. Wenn du dabei nicht weißt, dass es einfach ein Notprogramm deines Körpers ist, kann das verunsichern. Kommen zu den nährstoffbedingten Essanfällen noch weitere (psychologische) Faktoren kann das zum ersten Schritt in eine Bing-Eating Störung oder eine Bulimie werden. Je nach genetischer Vorbelastung kann ebenso Magersucht begünstigt werden.

 

4. Sport

Von Patrik Baboumian über Lewis Hamilton, Novak Djokovic, Venus Williams bis hin zum Ultramarathonläufer Scott Jurek. Die Liste veganer Sportler*innen ist lang.

Es gibt diverse Blogs auf denen du dich speziell zur veganen Ernährung bei Kraft- und Ausdauersport informieren kannst. In der Doku „The Game Changers“ kannst du dir die Vorteile einer pflanzlichen Ernährung für sportliche Hochleistungen anschauen.

Auch wenn es einige Kritik an den Aussagen im Film gibt, klar ist Sport und vegane Ernährung werden oft zusammen gedacht. Die meisten Veganer*innen ernähren sich nicht nur ausgewogener als der „normale“ Durchschnitt, auch sportlich sind sie aktiver.

Steigst du auf eine vegane Ernährung um, kommen schnell Gedanken wie „Jetzt sollte ich auch gesünder Leben und etwas mehr Sport machen“…

Sport bzw. Bewegung ist gut für dich. Aber nicht immer und es kommt klar auf die Menge und deinen Körper an. Auch wenn viele über den inneren Schweinehund klagen, der sie vom weg von den Joggingschuhen zurück auf Sofa zieht.

Es gibt auch die andere Seite: Sportsucht und Bewegungsdrang. Trainiert wird weit über die Schmerzgrenze hinaus. Stundenlange Cardioeinheiten in Kombi mit Pumpen im Studio und schwitzen beim Hardcore Yoga. Zeit für soziale Kontakte oder andere Freizeitaktivitäten bleibt keine mehr. Von veganen Fitness Influencer*innen bekommt du dazu deine täglichen Ernährungstipps, wie du möglichst nur Muskeln aufbaust und kein Gramm Fett deinen Körper „verunstaltet“… Die vegane Fitnessszene ist ebenso toxisch für ein gesundes Körperbild und ein ausgewogenes genussvolles Essverhalten, wie die normale mit ihrer Reis-Hähnchen-Diät. Nicht nur in ästhetischen Sportarten wie Ballett, Turnen oder Tanzen ist die Anzahl Essgestörter enorm hoch.2 Besonders bei jungen Frauen besteht das Risiko durch zu viel Sport ins Untergewicht zu rutschen und alleine dadurch eine Essstörung auszulösen. (siehe unten)

 

5. Energiemangel

Besonders am Anfang der Ernährungsumstellung kann das ein oder andere Kilo auf der Waage verschwinden. Für einige ist das ein netter Nebeneffekt, für Personen nahe des unterem „Normalgewichtes“ ein Risiko. Durch den höheren Gemüseanteil nimmst du fast automatisch weniger Kalorien auf. Zusätzlich sorgen Ballaststoffe für eine längere Sättigung. Die Gefahr zu wenig zu essen und den Körper nicht die Energie zu geben, die er braucht ist real und nicht zu unterschätzen.

Essstörungen sind zwar primär seelische Erkrankungen. Essen und Nicht-Essen sind nur Symptome. Ähnlich wie der Schnupfen bei einer Grippe. Dennoch können alleine ein niedriges Körpergewicht und ein Kaloriendefizit zu einem veränderten (Ess-)Verhalten führen.

1944 hat der berühmte Ernährungswissenschaftler Ancel Keys das Minnesota Starvation Experiment durchgeführt. Dabei wurden 36 junge, gesunde Männer für 6 Monate auf eine sehr kalorienarme Diät gesetzt. Das Ziel war, die Auswirkungen von Hunger auf den Körper zu erforschen. Neben starken gesundheitlichen Problemen wie schrumpfenden Herzvolumen, sinkender Körpertemperatur, reduzierter Hodengröße und abnehmender Körperkraft waren vor allem die psychischen Folgen beachtlich. Abseits von starken Konzentrationsproblemen, Schlafstörungen und verminderter Libido, veränderte sich das Alltagverhalten und die Interessen der Hungernden. In den Fokus von Gesprächen, Lektüren und Träumen rückte das Essen. Bei Filmen wurde die Häufigkeit des Essens bewertet. Kochbücher und Rezepte wurden gesammelt. Drei Teilnehmer entschieden sich sogar zu einem Berufswechsel als Koch. Ebenso wurde das eigene Essen sorgsam gegen Konkurrenten verteidigt und Teller bis auf die letzten Krümmel saubergeleckt.5  

Personen im Untergewicht zeigen zudem einen erhöhten Bewegungsdrang. Schuld sind unsere Vorfahren. Als Burger King und Co. uns noch nicht im Großstadtdschungel vor dem Verhungern gerettet haben, mussten unsere Vorfahren oft lange Strecken zurücklegen, um den nächsten Beerenstrauch zu finden. Hätten sich die Hungernden Steinzeitmenschen einfach hingesetzt und abgewartet, wären sie in kurzer Zeit gestorben. Stattdessen führt bei Energiemangel eine Hormonveränderung zur Ausschüttung von körpereigenen Opiaten. Wir fühlen uns euphorisch und voller Tatendrang.3 Die steinzeitlichen Sammler*innen und Jäger*innen konnten damit ihre letzten Kraftreserven mobilisieren. (Essgestörte) Personen im Untergewicht nutzen den Energieschub hingegen, um durch Sport weitere Kalorien zu verbrennen. Ein Abwärtsstrudel…. Schuldgefühle

Welche Gedanken hast du, wenn du an ein rotes blutiges Steak in der Kühltheke von Aldi denkst? „Oh lecker, mein Mittagessen?“ oder siehst du vor deinem inneren Auge die Grausamkeiten, die dieses Tier vor und während seines Todes erleben musste. Blutige Schlachtszenen und stinkende enge Ställe? Denkst du an den brennenden Amazonas, der durch die Sojaimporte für den deutschen Fleischhunger unwiderruflich zerstört wird?

Besonders am Anfang der Entscheidung für den Veganismus sind die Gefühle und Gedanken der Auswirkungen unseres Essverhaltens sehr präsent.

Schuldgefühle sind ebenso der ständige toxische Begleiter von Bulimiker*innen, Magersüchtigen und Bing-Eatern.

6.Schuldgefühle

Welche Gedanken hast du, wenn du an ein rotes blutiges Steak in der Kühltheke von Aldi denkst? „Oh lecker, mein Mittagessen?“ oder siehst du vor deinem inneren Auge die Grausamkeiten, die dieses Tier vor und während seines Todes erleben musste. Blutige Schlachtszenen und stinkende enge Ställe? Denkst du an den brennenden Amazonas, der durch die Sojaimporte für den deutschen Fleischhunger unwiderruflich zerstört wird?

Besonders am Anfang der Entscheidung für den Veganismus sind die Gefühle und Gedanken der Auswirkungen unseres Essverhaltens sehr präsent.

Schuldgefühle sind ebenso der ständige toxische Begleiter von Bulimiker*innen, Magersüchtigen und Bing-Eatern.

7. Isolation

Die vegane Community wächst täglich. In Großstädten wie Berlin und Köln gibt es vegane Brunchs, vegane Straßenfeste und sogar vegane Konzerte. Im kleinen Dorf in der Eifel musst du schon verdammt viel Glück haben, um auf Mitstreiter*innen zu treffen. Zum Glück ermöglicht es das Internet heutzutage uns über Städte- und Ländergrenzen hinweg auszutauschen.

Trotzdem bleibt es dabei, dass vegan zu Leben eine Alternative zum „normalen“ Lifestyle ist. Egal ob in der Familie, bei Freunden oder auf der Arbeit. Eine größer werdende Zahl an Menschen akzeptiert die Entscheidung für eine tierleidfreie Ernährung. Im Alltag gibt es aber auch weiterhin einige Beschränkungen. Ob du auf Familienfesten den Käsekuchen der Tante ablehnst, beim Weihnachtsessen mit Kollegen darum bitten musst, ein Lokal mit veganen Speisen zu suchen oder beim Eisessen mit deinen Freunden merkst, dass es immer noch Eisdielen ohne vegane Varianten gibt… Sich gegen den Mainstream zu entscheiden, kann schwierig sein und sich einsam anfühlen.

Auch eine Essstörung führt in der Regel zur sozialen Isolation. Besonders treffen rund ums Essen werden vermieden.

 

8. Identifikation

Als Veganer*in identifizierst du dich mit dem veganen Lifestyle. Dein veganer Alltag und deine rein pflanzliche Ernährung sind ein Teil von dir und Spiegel deine Werte. Aus dir wird zumindest in einigen Fällen „die Veganerin“ bzw. „der Veganer“.

Auch essgestörte Menschen identifizieren sich über ihre Ernährung. Aus Lisa wird die Magersüchtige. Aus Ben der Bulimiker. Eine große Hürde in der Genesung von Essstörungen ist die Suche nach der eigenen Identität. Nach teilweise endlosen Jahren in der Krankheit stellt sich die Frage „Wer bin ich ohne meine Krankheit“. Der Alltag war diktiert von strenge Regeln zum Sport und Essen. Die Gedanken kreisten rund um die nächste Mahlzeit und das Körpergewicht. Die Stimme der Essstörung hat konsequent alle Emotionen zum Schweigen gebracht. Bei der Genesung stellt sich die Frage, was das Loch, dass die Krankheit hinterlässt füllen kann.

 

9. Ökotest

„Vegane Wurst getestet: So schädlich ist der Aufschnitt“ (SWR3), „Veganes Hackfleisch im Test: Die Mehrzahl ist mit Mineralöl belastet“ (Ökotest)… solche oder ähnliche Schlagzeilen fluten in regelmäßigen Abständen die Medien. Vegane Wurst wird wegen „umstrittenen“ Verdickungsmitteln beanstandet. Der Einsatz von Aromen wird angeprangert und Rückstände von Mineralöle in den Produkten wird kritisiert.

Beim regelmäßigen Lesen von Ökotest und Co. kann schon mal die Frage entstehen was wir überhaupt noch gefahrlos essen dürfen… Vegane Lebensmittel werden auf Grund der polarisierenden Wirkung derartiger Schlagzeilen besonders gerne getestet, um mit den Ergebnissen die eigene mediale Reichweite zu vergrößern. Dadurch entsteht der Eindruck, dass Veganer*innen besonders auf ihre Gesundheit achten sollten und am besten die Finger von veganen Fleischersatz und pflanzlichen Käse lassen.

Wie in der veganen Ernährungspyramide dargestellt, sind frische und vollwertige Lebensmittel die Basis. Auf Genusslebensmittel und alltagspraktische Fertigprodukte musst du deswegen nicht verzichten. Solange du dich nicht ausschließlich von veganem Schnitzel mit pflanzlichen Käse ernährst, kannst du die gesamte Vielfalt der tierleidfreien Lebensmittel genießen. Eine pauschale Fokussierung auf  natürliche und unverarbeitete Lebensmittel schränkt deinen Speiseplan enorm ein. An die Stelle von Genuss schleicht sich die Angst vor „Ungesunde“ ein. Der Weg in die Orthorexie oder in die Magersucht wird kürzer.

Mineralöle können durch Verpackungen in Lebensmittel gelangen. Besonders häufig sind trockenen Produkte wie Mehl, Haferflocken oder Reis in recycelten Kartons belastet. Auch wenn die Hersteller derartige Kontaminationen minimieren sollten, gibt es keine Daten, die eine direktes gesundheitliches Risiko für Menschen eindeutig beweisen.4

Vegane Ernährung als Schutzschild vor Essstörungen

Leicht entsteht der Eindruck, dass eine vegane Ernährung eine Gefahr für die Entwicklung von gestörten Essverhalten darstellt. Aber wie bereits mehrmals betont, sind Magersucht, Bulimie und Co. psychische Erkrankungen. Die Ursachen sind Vielfältig. Die Einflussfaktoren divers und besonders der Einfluss der eigenen Gene darf nicht unterschätzt werden. Im Hinterkopf behaltend, dass eine vegane Ernährung für nicht wenige Essgestörte als gesellschaftlich akzeptierte Ausrede für eine restriktive Ernährung dient, gibt es auch einige Faktoren, die sogar als Schutz vor gestörten Essverhalten wirken.

 

1.Werte statt Kalorien

Aus persönlicher Erfahrung kann ich berichten, dass die Entscheidung für den Veganismus sich positiv auf das Verhältnis zur eigenen Ernährung auswirken kann.

Als ich mich 2019 entschied vegan zu leben, war ich bereits sehr weit bei der Genesung meiner jahrelangen Magersucht. Dennoch habe ich deutlich gemerkt, wie die Wichtigkeit von Kalorien und dem eigenen Körpergewicht in den Hintergrund rückten. Statt die Nährwertangaben auf Verpackungen zu studieren, um Kalorien und Fett zu kontrollieren, suchte ich neugierig nach neuen tierleidfreien Geschmackserlebnissen. Entscheidend war nicht länger der Aufdruck „light“ oder „fettarm“, sondern das gelbe Veganlabel. 

Kalorientabellen wurden uninteressant. Ich fing an die Hintergründe der Milchindustrie zu erforschen. Die grausamen Misshandlungen von Hennen für das morgentliche Frühstücksei oder die klimatischen Auswirkungen von Rindfleisch.   

Der Entschluss für eine vegane Lebensweise lenkt den Fokus auf Wichtigeres. Die Gedanken um andere Lebewesen, weltweite Ernährungssicherheit und unserer Zukunft lösen Low Fat Diätversprechen, zuckerfreie Joghurtdesserts und Panik vor der eigenen Waage ab.

Würdest du ein Kälbchen töten, um 100 Gramm abzunehmen? Ein Huhn ein Leben lang in einen Schuhkarton sperren, um 1 Zentimeter Bauchumfang zu verlieren? Oder einem Ferkel den Ringelschwanz abschneiden, um beim Abendessen etwas Fett einzusparen?

 

2.Vegane Community

Als Veganer*in stehst du bei traditionellen Grillfesten und dem Kaffeeklatsch der Tante zwar schnell im Abseits. Auf der anderen Seite kannst du dich auf veganen Straßenfesten und beim tierleidfreien Picknick mit Gleichgesinnten austauschen. Die vegane Szene wächst. Immer offen für Neulinge wirst du schnell Kontakte knüpfen und dich über die neusten Hacks für die pflanzliche Küche ebenso austauschen wie über Politik, Musik und das Wetter. An der Stelle des anonymen Großstadtlebens treten Treffen zum gemeinsamen Kochen und genießen. Bist du offen und neugierig auf neue Kontakte, wirst du einen bunten Haufen toleranter und vielschichtiger Menschen begegnen. Verbunden in den Wunsch das Leben aller zu respektieren und sich für eine nachhaltige Zukunft einzusetzen.

 

3.Nudging

Nudging bedeutet so viel wie Schubsen oder Stupsen. Bei dem aus der Marktwirtschaft bekannten Prinzip geht es darum, jemanden auf subtile Art in eine bestimmte Richtung zu lenken.

Durch den Verzicht auf tierische Produkte bist du „gezwungen“ Alternativen auszuprobieren. Anstelle von Milch, Eiern und Co. gilt es Neues zu entdecken. Dabei erweitert sich mit etwas Neugierde dein Speiseplan um diverse Köstlichkeiten.

Kartoffeln und Nudeln werden ergänzt durch unzählige bunte Hülsenfrüchte, nährstoffreiches Pseudogetreide wie Quinoa und Amaranth und dein Müsli kannst du in Zukunft mit Mandel-, Hafer-, Soja-, Erben-, Kokos-, Reis-, Haselnuss-…. Drinks anrühren.

Vor wenigen Jahren noch geschmacklich fragwürdige Raritäten, kannst du heutzutage aus eine Vielzahl köstlicher Ersatzprodukte für Wurst, Käse und Fleisch wählen.

 

4.Eingeschränkte Überforderung

Personen die sich von einer Essstörung erholen, haben sich oft über Jahre von ähnlichen Lebensmitteln ernährt. Ein paar auserwählte Gemüsesorten, etwas Magerjoghurt und eventuell noch ¼ Apfel. Entscheiden sie sich für die Rückkehr in ein lebenswertes Leben, sind sie manchmal durch die Auswahl im Supermarkt überfordert. Reihen unterschiedlichster Joghurts, Regal voll mit 20 verschiedenen Frischkäsesorten in allen erdenklichen Fettstufen und meterlange Truhen mit Fleischstücken. Gestresst von allen Eindrücken und den unendlichen Wahlmöglichkeiten verlassen sie in Panik entweder erfolglos den Supermarkt oder greifen zu ihren sicheren Lebensmitteln.

Wie bereits erörtert, hat sich die Auswahl veganer Produkte in den letzten Jahren enorm erweitert. Dennoch ist die pflanzliche Fleischtheke noch übersichtlich. Und erleichtert eine Entscheidung.

 

5.Wertvoll

Eine vegane Ernährung muss nicht teurer sein, als eine „Normale“. Wenn du dich an den Grundnahrungsmittel orientierst und diese mit ein paar Specials kreativ ergänzt, kannst du auch mit einem kleinen Geldbeutel ausgewogen schlemmen.

Allerdings sind vor allem Ersatzprodukte von bekannten Marken teurer als die „Normalvarianten“. Hinzu kommt der hohe Bioanteil bei pflanzlichen Alternativen.

Mehr zahlen für dein Essen…was soll daran positiv sein?

Zugegeben ist das Argument um die Ecke gedacht. Aber Personen mit einem gestörten Essverhalten leiden oftmals unter einem sehr geringen Selbstwert. Für sich zu sorgen und sich etwas Schönes zu gönnen, sind sie sich selbst nicht wert.

Qualitativ hochwertige und dadurch teurere vegane Lebensmittel sind eine super Übung, um zu lernen, für dich selber Geld auszugeben.

Du bist der wichtigste Mensch in deinem Leben! Du darfst es dir Wert sein, dein Geld und deine Zeit für dein eigenes Wohlbefinden einzusetzen.

 

6.Genuss

Von cremiger Mousse Au Chocolat über aromatischen Nussbraten bis hin zu fruchtigen Currys. Die vegane Küche garantiert eine riesige Auswahl exquisiter Genussmomente.

Durch viele koch- und backbegeisterte Veganer*innen gibt es eine große Fülle leckerer pflanzlicher Rezepte. Von einfachen Brotzeitideen bis hin zu aufwendigen Sahnetorten kannst du dich leicht inspirieren und von bunten Köstlichkeiten verführen lassen.

Die vegane Küche macht es dir leicht, eine gute Balance zwischen Gesundheit und Genuss zu finden.

 

7.Aktiv handeln statt passive Depressionen

Essstörungen und Depressionen sind so verbunden wie Politik und Korruption. Fraglich ist in vielen Fällen, ob die Essstörung auf die Depression folgte oder andersherum. Eine Depression zeigt sich vor allem in einer tiefen Hoffnungslosigkeit und den Gefühl der Machtlosigkeit des eigenen Lebens gegenüber. Resigniert werden die Umstände ertragen. Unfähig zu handeln.

Durch die Entscheidung für eine vegane Lebensweise beendest du aktiv deine Beteiligung an der Ausbeutung von Lebewesen und unseren Planeten. Durch dein Handeln kannst du die Welt ein Stück nach deinen Werten formen. Mit Messer und Gabel kämpfst du nicht länger gegen dich und deine inneren Dämonen, sondern gegen die grausame Ermordung von Millionen fühlender Geschöpfe und die Zerstörung unserer Zukunft.

Veganer*innen und Esstörungen: Fazit

Es gibt einen nicht zu vernachlässigenden Zusammenhang zwischen Essstörungen und einer veganen Ernährung. Die Behauptung eine rein pflanzliche Ernähre ende praktisch automatisch in einem gestörtem Essverhalten ist nicht nur übertriebener Populismus, sondern verwechselt Korrelation mit Kausalität.

Entscheidend bei der Beurteilung des Risikos sind die leitenden Motive.

 

Wird eine vegane Ernährung nur dazu genutzt das bereits restriktive Essverhalten sozialverträglich zu verstecken, besteht zwar ein klarer Zusammenhang, aber die Essstörung ist die Ursache für den Verzicht auf tierische Produkte und nicht andersherum.

Ist das leitende Motiv der Wunsch nach Kontrolle, Schlankheit und Leistungsoptimierung, besteht eine erhebliche Gefahr durch die Restrektionen der veganen Ernährung den pathologischen Perfektionismus weiter anzutreiben. In dieser Funktion unterscheidet sich die rein pflanzliche Ernährung aber nicht wirklich von anderen einschränkenden Diäten, die ebenso den Weg in die Essstörung ebnen.

 

Angetrieben von dem Gedanken mit dem eigenem Handeln die Welt ein Stück besser zu machen, Tierleid zu vermeiden, der Zerstörung unseres Planeten Einheit zu gebieten und weltweite Ernährungssicherheit zu ermöglichen, hilft der Veganismus Essen nicht länger als Instrument der Körperoptimierung zu missbrauchen. Genuss, Gemeinschaft und globale Nachhaltigkeit werden zu primären Zielen.

 

Der Veganismus unterstützt dich, nach deinen Werten zu handeln und in Frieden mit dir, deinem Körper und der Welt zu leben.

Leben und lebe lassen.

Ob und wie dir eine vegane Ernährung bei der Heilung von gestörten Essverhalten helfen kann, erfährst du in Kürze.

 

Bist du dir selbst unsicher, ob dein Verhältnis zum Essen noch „gesund“ ist oder du dich selbst stark einschränkst, um die Kontrolle über dein Leben und deinen Körper zu behalten? Verunsichern dich die unzähligen Ernährungsregeln die in den sozialen Median gepredigt werden? Wünsch du dir wieder zwanglos genießen zu können, bist dir aber unsicher ob das mit einer veganen Ernährung möglich ist?

Gerne helfe ich dir, antworten auf deine Fragen zu finden und dich auf deinen Weg in ein freies und genussvolles Leben zu begleiten.

Quellen:

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